ÖSTERREICH IN AUFRUHR: AUS FüR RABATTE IN TIROLER SKI-GEBIETEN – DAFüR WIRD GETRICKST

Skifahren für Auswärtige billiger

Österreich in Aufruhr: Aus für Rabatte in Tiroler Ski-Gebieten – dafür wird getrickst

Die Tiroler Seilbahnwirtschaft muss die Einheimischen-Klausel für ihr Freizeitticket abschaffen, mit dem man unbegrenzt Ski fahren kann. Dafür macht man es jetzt für Auswärtige unattraktiv.

Innsbruck – Tirol ist ein alpines Freizeitparadies, das andere österreichischen Bundesländer und viele Nachbarregionen beneiden: Auf den bis zu 3768 Meter hohen Bergen kann man im Winter Ski und Snowboard fahren, Dutzende Bergbahnen bringen die Wintersportler auf die Gipfel und manchmal sogar ins ewige Eis. In den Tälern kann man zudem Eislaufen, Schwimmen und auch viele Museen, Kirchen oder Schlösser besuchen. Über sechs Millionen Urlauber genießen dieses Angebot jedes Jahr.

Auch die Einheimischen wollen natürlich dieses Angebot nutzen. Für diese wurde 2006 extra ein Freizeitticket geschaffen, das freien Eintritt zu diesen Attraktionen gewährt. Der Preis ist nicht günstig: 872 Euro müssen Erwachsene für das ab 1. November geltende neue Freizeitticket für die Saison 2024/24 berappen. Für Kinder der Jahrgänge 2009 bis 2018 werden 454 Euro verlangt. Jugendliche zahlen 698 Euro, junge Erwachsene (bis 23 Jahre) berappen 785 Euro, Senioren (829 Euro) und Menschen mit Einschränkungen 654 Euro. Das ist zwar in allen Fällen viel Geld. Wenn man aber bedenkt, dass ein Wochenskipass in Sölden für Erwachsene in der Hauptsaison 382 Euro kostet, ist das Ganze ein Schnäppchen.

Ski-Freizeit in Österreichs: Jahresticket galt nur für Tiroler – jetzt kann es jeder kaufen

Bislang war dieses Angebot, das in über 30 Skigebieten wie Nordkette, der Glungezer, Stubaier Gletscher oder Kühtai gilt, nur Personen mit Hauptwohnsitz in Tirol, Studierenden bis 27 und in Tirol angemeldeten Arbeitnehmern vorbehalten. Doch das ist jetzt vorbei: Diese Einheimischenklausel wird in der neuen Wintersaison gestrichen, sodass auch Auswärtige etwa aus Deutschland, Italien oder anderen österreichischen Bundesländern das begehrte Freizeitticket erwerben können.

Für die kommende Saison wird es „Änderungen in der Angebots- und Preisstruktur“ geben, hießt es in einem Rundschreiben an die rund 60.000 Abonnenten, das in diesen Tagen verschickt wurde und über das der ORF berichtete. Die wichtigste Änderung: Das Freizeitticket darf künftig „ohne Einschränkungen“ erworben werden, also auch für jene ohne Hauptwohnsitz in Tirol.

Hintergrund ist eine Klage des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation (VKI) im Juli. Der sah in der Einheimischenklausel eine Diskriminierung anderer Personen. Man sei aufgrund von Konsumentenanfragen bzw. Beschwerden auf den Fall des Freizeittickets Tirol aufmerksam geworden, hieß es. Auch das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hatte unter Androhung von Strafen die Tiroler Seilbahnwirtschaft zur Einstellung dieser Tarif-Praxis aufgefordert.

Verbraucherschützer klagten gegen Bevorzugung Einheimischer in Tirol

Laut VKI sollte das Freizeitticket allen zur Verfügung stehen. Dabei wurden vor allem Salzburger oder Vorarlberger genannt, die im Grenzgebiet zu Tirol wohnen. Auf eine Anfrage der Tiroler Tageszeitung zeigten sich die Tiroler Seilbahner besorgt. Man befürchte einen Präzedenzfall und eine damit verbundene Preiserhöhung für alle anderen großen Kartenverbünde. Generell drohe das gesamte Tarifsystem „ins Rutschen“ zu kommen. Der Tourismus bringe zwar Wohlstand und Arbeitsplätze bis in die Täler hinein. Allerdings sollten auch die Einheimischen Vorteile daraus haben, wenn sie ihre eigene Heimat mit Gästen aus aller Welt teilen.

„Mit Kartenverbünden wie dem Freizeitticket will die Tourismuswirtschaft ein attraktives und faires Angebot für die heimische Bevölkerung bieten. Für mich ist klar, dass es solche vergünstigte Tarife und Karten auch künftig geben soll. Ich unterstütze das Ansinnen der Tourismuswirtschaft, solche Kartenverbünde auch weiterhin anzubieten“, schlug sich Tirols Landeschef Anton Mattle (ÖVP) im Juli klar auf die Seite der Seilbahnwirtschaft. Die Bevölkerung könne nicht die negativen Begleiterscheinungen des Tourismus, wie z.B. den Verkehr, alleine tragen und am Ende keinen finanziellen Nutzen davon haben.

Auch der Präsident der Arbeiterkammer Erwin Zangerl kritisierte: „Dass ausgerechnet der Verein für Konsumenteninformation, der dieses Verfahren im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz führt, mit einer Klage dieses Angebot für die Tirolerinnen und Tirol bedroht, ist für mich nicht nachvollziehbar!“, wetterte der Gewerkschaftsfunktionär. Und weiter: „Eine Neiddebatte auszulösen, weil angeblich Konsument:innen aus anderen Bundesländern sich wegen Ungleichbehandlung an den VKI gewandt hätten, ist nicht zu verstehen.“ Für viele Tiroler seien Angebote wie das Freizeitticket die einzige Möglichkeit, sich das Skifahren überhaupt leisten zu können.

Aufschrei in Tirol, weil Einheimischen-Privileg wegfällt – dafür macht man es Auswärtigen schwer

Nach dem heftigen Aufschrei aus Tirol zog das VKI zwar seine Klage zurück. Doch es folgten intensive Gespräche. Das Ergebnis: „Da müssen wir klein beigeben“, erklärte Nordkettenbahnen-Geschäftsführer und Freizeitticket-Vorsitzender Thomas Schroll gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Die Einheimischenklausel wurde zurückgezogen, jetzt kann jeder das begehrte Freizeitticket erwerben. Allerdings erhöhte sich der Preis deutlich: Im vorigen Jahr kostete das Ticket für Erwachsene mit 755 Euro 117 Euro weniger. Außerdem fällt der Online-Verkauf weg, der für Auswärtige interessant wäre.

Ein weiterer Haken: Man kann das Ticket ab sofort nur vor Ort an Vorverkaufststellen in Tirol und bei teilnehmenden Bergbahnen kaufen. Im Vorverkauf zwischen 1. und 31. Oktober ist das Ticket deutlich günstiger, statt 872 Euro kostet die Erwachsenenkarte nur 727 Euro. Wer weiter weg von Tirol wohnt, wird nicht extra anreisen, um sich das Ticket vergünstigt kaufen zu können. Den Familientarif mit deutlich günstigeren Preisen für den Nachwuchs gibt es außerdem nur noch in einem Vorverkaufszeitraum zwischen dem 1. und dem 31. Oktober.

Dass Einheimischenrabatte auf tönernen Füßen stehen, hatte bereits 2016 die Klage eines Österreichers bewiesen, der klagte wegen 2,50 Euro Preisnachlass für Ortsansässige in einem Freizeitbad in Berchtesgaden bis vors deutsche Bundesverfassungsgericht – und gewann. Auch in bayerischen Skigebieten ist der Einheimischentarif ein Thema gewesen. In Tirol ist gleichzeitig der Transitverkehr ein Dauerthema: Die regelmäßigen Blockabfertigungen für Lkw in Kufstein und am Brenner verärgern die Nachbarn Deutschland und Italien. Der Verkehrsminister des südlichen Nachbarn Matteo Salvini hat bei EU dagegen Klage eingereicht. Jetzt kommt noch eine drohende Blockade der Brennerautobahn durch eine Demo von Anwohnern dazu.

2024-09-12T20:04:26Z dg43tfdfdgfd