WOHNMOBIL-BOOM: CAMPING ALS ANFäNGER – WARUM VANLIFE-LIGHT EIGENTLICH GANZ EINFACH IST

Die Covid-Zeit führte zu einer vermehrten Lust auf Camping und einem Run auf Camper und Wohnmobile. Manche bereuten den Kauf schnell, wir dagegen nicht.

In den Covid-Jahren gab es einen Run auf Campervans. Genau genommen begann der Run schon früher, die Einschränkungen der Covid-Ära feuerten ihn tüchtig an. Manche sind mit ihrer Wahl glücklich, andere weniger. Vermutlich sind diejenigen enttäuscht, die noch nie länger gecampt haben und dann ins Full-Time Vanlife eingestiegen sind. Auch wir – Paar, 60 plus – gehören zur Schar der Covid-Camper und schlugen während der Pandemie zu. Es sollte kein Modell von der Stange sein, auch kein einfacher, leicht zu fahrender Wagen wie ein Mercedes Sprinter oder Fiat Ducato. 

Nach langer Recherche kauften wir einen alten Bundeswehr-Sanitätswagen. (Für die Experten: Mercedes Benz T2LN1 609 D Kastenwagen, Variante: hoch und kurz.) Und zwar genau so, wie man es nicht machen sollte. Wir sind losgefahren, 400 Kilometer im Regen, und waren wild entschlossen, den ersten Wagen zu kaufen, den wir uns ansehen. Wir haben den dicken Grünling "Yoda" getauft und ihm zwei Grogu-Embleme verpasst. Den Kauf haben wir nicht bereut.

Camper-Ausbau in Eigenregie

Nach 2,5 Jahren lässt sich ein Fazit ziehen: Campen ist viel leichter und schöner als gedacht. Auch auf dem Campingplatz. Der olivgrüne Bundeswehr-Oldie wurde in Eigenregie ausgebaut. Für zwei Personen. Ein klassischer Aufbau. Eine U-Sitzgruppe im Heck, die sich in ein Bett von 1,9 mal 2 Metern verwandeln lässt. Dazu ein variabler Tisch, Küchenzeile mit Spüle und Gaskocher. Plus Stromversorgung. Wegen der Größe des Wagens gibt es keine Duschkabine. 

Für einen halbwegs begabten Heimwerker ist alles machbar. Die meiste Arbeit verschlang allerdings das Fahrzeug selbst mit Rostbekämpfung, Schweißen und Rostvorsorge. Das hätte man mit einem neueren Modell einfacher haben können. Dafür wird der Bundeswehrveteran überall gern gesehen.

Keine Zeit für Expeditionen

Von der grenzenlosen Freiheit des Vanlife-Booms haben wir nie geträumt. Das mag auch an der Altersgruppe 60 plus liegen. Vielleicht wird das noch kommen, wenn mehr Zeit zum Reisen bleibt. In 14 Tagen Urlaub ist schon ein Trip nach Portugal zu lang, von Georgien gar nicht zu reden. Yoda fährt mit größeren Reifen inzwischen 105 km/h nach GPS (zuvor 95 km/h). Nach umfangreicher Dämmung muss man sich nicht mehr anschreien, davor wurde es richtig laut. Der Motor sitzt ja auch zwischen Fahrer und Beifahrer. Aber mehr als 500 Kilometer muten wir uns in einem Stück nicht zu. 

Dass unser dicht besiedeltes und reguliertes Deutschland kein idealer Platz zum autonomen Freistehen ist, verstanden wir von selbst. Also kam die Erkenntnis schnell, dass Sandbleche, Seilwinden und vollkommen autonome Stromversorgung für uns leider nicht so wichtig sein werden.

Camper für die kleinen Fluchten

Was kann man also mit einem Camper machen, außer immer daran rumzubasteln? Einiges. Etwa spontan an die See fahren. Von uns im Hamburger Westen sind der bekannte Strand von St. Peter Ording und weniger bekannte Strände an der Ostsee, bei denen man direkt hinter den Dünen stehen kann, leicht zu erreichen. Es ist ein Schneckenhaus-Idyll. Wir haben unsere Lieblings-Umgebung – Stil: Hippie-Camper – dabei. 

Es dauert eine halbe Stunde, "Yoda" für einen Kurztrip auszustatten. Zwei E-Bikes sorgen für die nötige Beweglichkeit am Ziel. Lebten wir in einer Etagenwohnung, würden wir uns wohl auch mal ein paar Tage am Elbstrand in der eigenen Stadt gönnen. Selbst Home-Office wäre möglich. Dazu dient der Mercedes auf den Kunsthandwerkermärkten, die meine Frau besucht, als Schlafplatz und Transporter. Plus längere Reisen, die dann aber stockbieder auf dem Campingplatz.

Camping ist nicht billig

Camping, das heißt kollektive Spülküche, viele Kindern um einen herum und wenig Distanz zu den Nachbarn. Ein Leben mit Improvisationen, Latschen und wenig Perfektem. Den obligatorischen Lichterketten, Klapptisch und einer Espresso-Maschine. Entweder man liebt es, oder man sollte es bleiben lassen. Uns gefällt es, auch wenn wir zeitlebens niemals gecampt oder gezeltet haben. Wenn man sich in der Welt von Vorzelt und Markise, meistens draußen, selten drinnen, nicht wohl fühlt, wird das eine schwierige Verbindung.

Die billige Alternative ist der eigene Camper sicher nicht. Diese Rechnung kann nur bei einem Full-time-Vanlife aufgehen, wenn die wegfallenden Wohnungskosten gegengerechnet werden. Ansonsten wird man mit Hotel und Appartement deutlich günstiger wegkommen. 

Unser 609D Yoda in  Zahlen

Wie sieht das konkret aus? "Yoda" hat nicht 60.000 Euro gekostet, so wie ein neuer ausgebauter Camper-Kastenwagen. Kauf und Ausstattung von "Yoda" haben zusammen etwa 20.000 Euro verschlungen. Dazu wurde Werkzeug angeschafft. Schweißarbeiten, Entrosten und Korrosionsschutz haben wir selbst gemacht. Bei einer Werkstatt in Deutschland wären etwa 7000 Euro dazugekommen. Ein Profi hätte den Wagen professioneller lackiert, dafür aber auch mehrere tausend Euro verlangt.

Wer einen Wagen Baujahr Mitte der 1990er fährt, muss einiges selber machen können. Wenn man wegen jeder defekten Sicherung, jeder bröseligen Dichtung oder einer verhakten Tür die Werkstatt ruft, macht das Fahrzeug die Besitzer arm. Ersatzteile sind dagegen relativ einfach und preiswert zu bekommen. Wie bei jedem Transporter gibt es Verschleiß: Bremsen, Federn, Dämpfer, Lenkung, Reifen und so weiter. Es fallen also immer mal wieder Kosten zwischen 500 und 1500 Euro für die Dinge an, die man nicht selbst machen kann und will. 

Bislang hält sich das in Grenzen. Konkret: Die Reparaturen von zweimal TÜV (Lenkung, Reifen, kleine Schweißarbeit vom Profi) kamen auf etwa 1500 Euro. Anstatt sechs neuer Reifen in anderer Größe (800 Euro) hätte man allerdings auch nur einen wechseln können (100 Euro). Versicherung und Steuern sind überraschend günstig – unter 700 Euro im Jahr. Der Verbrauch liegt bei 12 bis 13 Litern Diesel, das ist weniger als wir erwartet haben, aber natürlich mehr als bei einem PKW. Yoda wird jede Woche bewegt. Als Camper ist er etwa drei Wochen im Jahr im Einsatz, dazu kommen etwa ein Dutzend Kurz-Urlaube und Märkte über das Wochenende.

Fazit

Dringender Rat: Macht es nicht wie wir, leiht euch erst ein Fahrzeug aus, bevor ihr eins kauft. Plant genau, auch finanziell. Unser Modell ist bereits eine Low-Budget-Lösung. Und schätzt euch realistisch ein. Träumt ihr vom großen Abenteuer oder wollt und vor allem könnt ihr es auch wirklich leben? Das große Paket von Wohnungsaufgabe, Ganz-Jahres-Vanlife und die Suche nach einem Einkommen aus dem Wohnmobil kann schnell zu viel sein. Kleine Häppchen wie bei uns sind leichter verdaulich.

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