WAS GEGEN DIE TOURISTENMASSEN WIRKLICH HILFT

Auf Mallorca protestieren Zehntausende gegen den Andrang von Urlaubern, auch anderswo leiden Einheimische in der Hauptsaison. Falsch wäre es, sich deshalb die Reiselust abzutrainieren. Es gibt wirksame Hebel, die Politik und Tourismuswirtschaft nutzen können – zugunsten von Anwohnern und Besuchern.

Haben Sie schon die Koffer gepackt? Die Wohnungsschlüssel beim Nachbarn zum Blumengießen deponiert? Prima. Wir sehen uns alle wieder, dicht gedrängt an der Ostsee, auf Malle oder Santorini, im rappelvollen Venedig, Barcelona …

Das Problem dabei ist, dass Touristen dort immer öfter ungern gesehen werden. Es seien zu viele Besucher an den begehrten Reisezielen, so der Vorwurf. Anwohner litten unter steigenden Preisen, immer knapperem Wohnraum, dem Verlust eines authentischen Umfelds, wenn Besuchermassen alles zu einer Art Freilichtmuseum machen. Die Einheimischen reagieren mit Protest und Demonstrationen. Das Problem muss man lösen, sonst werden auch noch die Urlaubsparadiese zu Konfliktfeldern.

74 Prozent der gerade von WELT TV Befragten würden keinen Ort mehr bereisen, an dem es Proteste gegen Touristen gibt. Aber am Ende fahren wir ja doch wieder nach Italien, Frankreich, Spanien. Die Strände locken. Die Sagrada Familia, die Seufzerbrücke, auch den Eiffelturm muss man einfach gesehen haben. Und wer will schon Urlaub in Ludwigshafen, Hamm oder Suhl machen? Was tun also, wenn Massen die Ferienorte überfluten und die Einheimischen sich dagegen wehren?

Zunächst: Wir müssen uns Fernweh und Reiselust nicht abtrainieren. Das sagt der Gründer und Geschäftsführer des Instituts für nachhaltigen Tourismus, Harald Zeiss. Reisen ist kein Grundrecht, aber ein Grundbedürfnis. Reisen bildet, verbindet, macht weltoffen, gibt Impulse für das Leben daheim. Und wer möchte es den Menschen verdenken, dass sie die schönsten Plätze der Welt sehen wollen?

Welche Schritte zur Entspannung der Lage führen

Die Stadtverwaltungen, Lokalpolitiker und die Tourismuswirtschaft sind gefordert. Politiker regulieren ja auch sonst sehr gerne, in diesem Fall wäre es sinnvoll. Jeder soll die Kanäle von Venedig sehen können, die Akropolis in Athen, den Traumstrand im türkischen Fethiye – aber eben nicht alle zur gleichen Zeit.

Die Verantwortlichen an den Hotspots haben vielfach auf die Besuchermassen reagiert. Aber eben nicht wirkungsvoll genug, wie die Demonstrationen gegen den Massentourismus auf Mallorca oder in Barcelona zeigen. Venedig ist dazu übergegangen, eine Eintrittsgebühr von fünf Euro pro Besucher zu erheben, ab 2025 sollen es zehn Euro sein. Das hält natürlich kaum jemanden von einem Besuch ab.

Das traumhafte Örtchen Hallstadt im Salzkammergut treibt eine rigide Parkplatzbewirtschaftung: Mit dem Pkw kommt man praktisch nicht mehr ins Dorf oder auch nur in die Nähe. Aber das ist kein Konzept für Großstädte.

Wirklich Wirkung würde ein Bündel von Maßnahmen zeigen: ein Stopp für Hotelneubauten an Hotspots, hohe Auflagen für Privatvermietungen, weniger Kapazitäten für die Anreisemöglichkeiten, eine klare Absage an alkoholreiche Junggesellenabschiede.

Besonders begehrte Attraktionen könnten außerhalb der Saison sehr günstig, währenddessen sehr teuer gestaltet und neue Sehenswürdigkeiten außerhalb der Städte geschaffen werden. So wie der „Amsterdam Beach“, der weit draußen liegt. Und im Idealfall werden Entwicklungskonzepte für Tourismus und die Menschen vor Ort aus einem Guss geschaffen – mit genug bezahlbarem Wohnraum und attraktiven Lebensräumen für alle, so wie das zum Beispiel im Allgäu versucht wird.

Klar ist, dass solche Maßnahmen Zeit brauchen, bis sie wirken. Es werden sich noch lange Menschenmassen durch die Altstadt von Heidelberg schieben oder am Elafonissi Beach auf Kreta zeigen. Es gibt natürlich auch interessante, wenig überlaufende Reiseziele. Freunde waren jüngst in der Antarktis. Da war es sehr einsam. Und sehr teuer.

2024-07-24T12:40:03Z dg43tfdfdgfd