DIE KURIOSE KOLONIALGESCHICHTE DER BANDA INSELN
Ein Beitrag von Collin Key Irgendwo im indonesischen Archipel ragt die Spitze eines Vulkans aus einem tiefen Meer, umgeben von zehn kleinen Inselchen. Drumherum – nichts außer Wind und Wellen. Hier – und nur hier auf den Banda Inseln – wuchs etwas, was über Jahrhunderte mehr wert war als jeder Piratenschatz: die Muskatnuss. 1498 hatte Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt, und sofort machten sich die Europäer daran, auch die Anbaugebiete der Gewürze Hinterindiens aufzuspüren. Diese zu finden, versprach unermesslichen Reichtum. Muskat galt als eines der wertvollsten unter diesen exotischen Gewürzen. Doch wo sollte man suchen? Wie findet man unter den siebzehntausend indonesischen Inseln diese winzigen Bandas? 1511 eroberten die Portugiesen die Stadt Malakka im heutigen Malaysia, zu jener Zeit eine Metropole des Welthandels. Hier trafen sich malaiische, arabische, javanesische und chinesische Händler und feilschten um die Gewürze der tropischen Inselwelt. Manch ein Kapitän mag gewusst haben, wo die geheimnisvollen Bandas liegen. Aber solch ein Wissen ist wertvollstes Geschäftsgeheimnis. Das teilt man nicht mit bleichgesichtigen Neuankömmlingen. [caption id="attachment_43686" align="alignnone" width="1200"] Banda Naira und der Vulkan Gunung Api ("Feuerberg"). Die Banda-Inseln sind eine Gruppe von elf kleinen Vulkaninseln, die sich aus dem 4 bis 6 Kilometer tiefen Bandasee erheben.[/caption]
Unsere beschwerliche Anreise zu den Banda Inseln
Zwar findet man die Banda-Inseln heutzutage auf jeder Landkarte, aber sie zu erreichen gestaltete sich auch für uns schwieriger als gedacht. Drei Anläufe waren nötig, bis wir eine Woche später als geplant endlich dort ankamen. Von einem Hafen in der Nähe der südmolukkischen Hauptstadt
Ambon verkehrt ein
Schnellboot nach Banda Naira, dem einzigen größeren Ort der Inseln. Am Montag erfuhren wir, dass das Boot nicht fährt, vermutlich wegen Motorschadens. Wir buchten daraufhin ein Flugticket bei
Susi Air für Freitag. Es war März und die Regenzeit hatte länger gedauert als gewöhnlich. In der Nacht zuvor war ein Gewittersturm über Ambon gefegt, was uns während des Flugs wunderschöne Wolkenformationen bescherte. Allerdings auch
schwere Turbulenzen beim Landeanflug. Kurzerhand brach der Pilot die Landung ab und flog wieder zurück nach Ambon. So blieb uns am Ende nur noch die unverwüstliche
Pelni Fähre, die uns (und geschätzt eine Million Kakerlaken) nach einer langen Nachtfahrt tatsächlich zu den Bandas brachte. [caption id="attachment_43683" align="alignnone" width="1200"]
Lencer / CC BY-SA[/caption]
Die Holländer und Portugiesen
1511 entdeckten die
Portugiesen schließlich doch die Muskatnuss-Inseln und liefen mit ihren Seglern in die Meerenge zwischen
Banda Naira und dem Vulkan
Gunung Api ein. Quellen berichten, dass sie dort einen befestigten Handelsposten errichteten, ihn aber nicht sehr lange halten konnten. Mehr Glück hatten sie dann in den Nord-Molukken, wo der Sultan von
Ternate mit ihnen ein Abkommen schloss. Auf Ternate wachsen die
Gewürznelken, und damals war diese Insel, wie Banda für die Muskatnuss, die weltweit einzige Quelle dieses begehrten Gewürzes. Die Portugiesen hatten sich erfolgreich in den lukrativen Gewürzhandel eingeklinkt. Die Handelsströme aber zerstörten sie nicht. Dies sollte sich erst ändern, als im Jahr 1599 der Kapitän eines winzigen europäischen Landes
Kurs auf den Gunung Api nahm: Ein Schiff der
holländischen Ostindien-Gesellschaft hatte die Muskatnuss-Inseln entdeckt. [caption id="attachment_43688" align="alignnone" width="1200"] Die Banda Inseln im 16. Jahrhundert - Quelle (Wikivisually)[/caption]
Was steckt hinter der besonderen Nuss?
Was ist an der Muskatnuss so besonders, dass Seeleute ihr Leben riskierten, um in ihren Besitz zu kommen? Der Muskatnussbaum ist relativ klein und unscheinbar und er gedeiht nur im Schatten riesiger Mandelbäume. Die Nuss selbst besteht aus vier Teilen. Eine
äußere fleischige Hülle ähnlich der Kastanie, aus der Marmelade und kandierte Süßigkeiten hergestellt werden. Darunter eine
schwarze Kapsel, die von einer roten Schicht umgeben ist, der Muskatnussblüte (englisch: mace). Diese wird zum Färben und ebenfalls als Gewürz verwendet. Die eigentliche Muskatnuss, wie wir sie kennen, verbirgt sich
innerhalb der schwarzen Kapsel. Das alles erklärt aber nicht ihren einst exorbitanten Preis: in einem Text des 14. Jahrhunderts heißt es,
ein Pfund Nüsse entsprächen dem Wert von „sieben fetten Ochsen.“ Sicher, exotische Gewürze waren ein
Statussymbol der Reichen, die für solche schon immer bereit waren, tiefer in die Taschen zu greifen. Vielleicht liegt die Erklärung aber auch in der
Ökonomie des Drogenhandels: Die Nuss enthält den Stoff
Myristicin, welcher nachweislich
psychoaktiv wirksam ist. Möglicherweise aber ist auch einfach ein Gerücht verantwortlich: die Menschen des Mittelalters glaubten, dass Muskat ein
wirksames Medikament gegen die Pest sei. [caption id="attachment_43669" align="alignnone" width="1200"] Die Muskatnuss, wie wir sie kennen[/caption]
Der lange Weg der indonesischen Gewürze
Die Gewürze Indonesiens waren über viele Jahrhunderte von malaiischen, javanesischen und buginesischen Händlern (ein Volk Südsulawesis)
nach Malakka gebracht worden.
Arabische Händler schifften sie dann über den indischen Ozean an ihre heimischen Küsten. Karawanen trugen sie zur Küste des
Mittelmeers. Dort warteten schon die venezianischen Kaufleute, um sie weiter
nach Europa zu bringen. Die Portugiesen konnten diesen Zwischenhandel zum Teil ausschalten und die Profite in ihre eigene Tasche stecken. Das Ziel der holländischen Ostindien-Gesellschaft aber ging noch weit darüber hinaus: sie strebte nach dem
alleinigen Monopol des Gewürzhandels. [caption id="attachment_43679" align="alignnone" width="1200"] Historische Karte der Banda Inseln[/caption]
Das Massaker der Holländer
Der Tod hat in Banda einen Namen:
Jan Pieterszoon Coen. Der Generaldirektor der holländischen Ostindien-Gesellschaft und Gründer von
Batavia (heute Jakarta), zwang die Bandanesen, einen „
Ewigen Vertrag“ zu unterzeichnen –
Muskatnüsse durften fortan ausschließlich an holländische Händler verkauft werden, zu einem für die Holländer vorteilhaften Preis, der im Abkommen ein für alle Mal festgesetzt war. Um ihre Geschäfte abzusichern, errichteten die Holländer mehrerer Festungen auf den Banda Inseln. Doch den Bandanesen bedeuteten ein paar auf Papier geschriebene Buchstaben nicht viel. Heimlich verkauften sie auch weiterhin an jedes Schiff, das den Weg zu den abgelegenen Inseln gefunden hatte. 1621 kehrte Coen zurück, begleitet von seinen Soldaten und japanischen Samurai Söldnern. Wegen des unerlaubten Handels verhängte er die
Todesstrafe über 40 Männer aus den nobelsten Familien. Dem aufflammenden
Widerstand der Bevölkerung begegnete der Generaldirektor – der in den Niederlanden viele Jahre als Nationalheld galt – mit
gnadenloser Brutalität. Unterschiedliche Quellen nennen verschiedene Zahlen, aber von den geschätzt
15.000 Einwohnern der Inseln waren nach der Niederschlagung der Rebellion rund
14.000 tot oder geflohen. Die Holländer übernahmen die Plantagen und bewirtschafteten sie von nun an selbst mithilfe
eingeführter Sklaven. Das Monopol der Holländer ist in gewisser Weise auch ein
erster „Sieg“ des Kapitalismus. Denn die Holländer hatten früh die Idee, das Risiko ihrer Unternehmungen auf viele Schultern zu verteilen. Die „Vereenigde Oostindische Compagnie” war eine Art
Aktiengesellschaft, deren Anteile man kaufen und verkaufen konnte. Dafür hatte sie im Jahr 1602 die noch heute aktive
Amsterdamer Börse gegründet.
Auf Spurensuche der Kolonialzeit
Wir blieben mehrere Tage in Banda Naira und genossen die entspannte Ruhe des Städtchens. Der erste Anblick von Bord der anlegenden Pelni Fähre ist das im Kolonialstil erbaute
Hotel Maulana. Voller Stolz wies man uns darauf hin, dass hier einst
Prinzessin Diana abgestiegen sei. Beim Gang durch die kleine Hauptstraße überkam mich das Gefühl einer Zeitreise ins holländische Ostindien. Auch das
Cilu Bintang erinnert an eine alte Villa aus der Kolonialzeit. Eigentlich hatten wir hier gebucht, doch jetzt, nach Sturm und einer Woche Verspätung, waren unsere Zimmer belegt. Das war kein großes Problem, denn es gibt genug
andere, freundliche Gästehäuser in der Stadt. Später erfuhr ich vom Besitzer des Maulana, dass das Hotel erst vor etwa 30 Jahren gebaut wurde. Und auch das Cilu Bintang ist einzig der Fantasie seines umtriebigen Besitzers
Abba entsprungen. Meiner Nostalgie tat das allerdings keinerlei Abbruch. [caption id="attachment_43685" align="alignnone" width="1200"] Frühmorgendliche Stimmung in Banda Naira[/caption]
Heutiges Banda Naira und Hatta
Banda Naira ist ein beschaulicher und angenehmer Ort. Es gibt auf dieser Insel jedoch nur einen einzigen, wenig attraktiven Strand. Wer die
wunderbare Unterwasserwelt der Banda-See erleben will, muss mit einem der öffentlichen Boote nach
Hatta übersetzen. Dort leben die Reisenden in Bambushütten am hellen, feinkörnigen Sandstrand, der unmittelbar in einen Korallengarten übergeht. Bis zum steil abfallenden Riff sind es nur etwa 30 Meter. Hatta zählt sicher zu einem der
besten Tauch- und Schnorchelparadiese Indonesiens. Eine gute Adresse zum Tauchen ist
Dive Bluemotion Banda.
[caption id="attachment_43677" align="alignnone" width="1200"] Paradiesische Ecke auf den Banda Inseln[/caption]
Ein Inseltausch, der die Welt veränderte
Noch ist die Geschichte der Bandas nicht zu Ende erzählt. Ein kurioses Kapitel gilt es nachzutragen. Die Holländer waren keineswegs die einzigen Europäer, die auf den Bandas das große Geschäft machen wollten. Kurz nach ihnen erschienen die
Engländer und setzten sich auf der Insel
Run fest, die fast in Sichtweite vor Banda Naira liegt. Die Einheimischen dort waren wohl froh, dass jemand anbot, ihnen
die Holländer vom Hals zu halten und unterzeichneten ein Abkommen, in welchem sie die Herrschaft des englischen Königs James I über ihre Insel anerkannten.
Run war somit die erste Kolonie der englischen Monarchie! James soll darüber so erfreut gewesen sein, dass er sich fortan den stolzen Titel
König von England, Schottland, Wales und Run zulegte. So jedenfalls wird es berichtet. Die Freude wird nicht allzu lange gewährt haben, denn einige Jahre später griff die holländische Flotte an und vertrieb die Engländer. Die Schlacht war gewonnen, doch der Krieg der aufstrebenden Kolonialmächte ging weiter. Vor allem die
Karibik wurde zu ihrem Schlachtfeld. Schließlich einigten sich beide Länder 1667 im
Friedensvertrag von Breda auf die gegenseitige Anerkennung ihrer kolonialen Ansprüche, was mit dem Austausch umstrittener Gebiete einherging. Die Insel
Run mit ihrem Reichtum an
Muskatnüssen ging nunmehr endgültig an die
Holländer. Die
Engländer erhielten im Gegenzug eine kleine, sumpfige Flussinsel hoch oben im
kalten Norden Amerikas namens
Neu Amsterdam – welche die neuen Herren umbenannten in
New York.
Heutiges Run
Auch wir wollten Run besuchen, was um ein Haar in einem Desaster geendet hätte. Wieder hatte ein nächtlicher Sturm das Meer aufgepeitscht. Als unser kleines Boot die schützende Enge verließ, wurde es von bedrohlichen Brechern hin und hergerissen. Frauen kreischten, Männer schöpften mit aller Kraft gegen das in den Rumpf laufende Wasser, ein Mann ging über Bord (und wurde wieder geborgen). Schließlich konnte der Skipper mit Müh und Not beidrehen und wir erreichten völlig durchnässt den Hafen von Banda Naira. [caption id="attachment_43689" align="alignnone" width="1200"] Überfahrt nach Pulau Run. Die Gesichter der Männer sind bereits angespannt, als wir den Hafen von Banda Naira verlassen.[/caption]
Und die Muskatnuss?
Sie blieb noch für hundert Jahre der exklusive Reichtum der Bandas, wenngleich er nun von fremden Europäern genossen wurde. Erst 1769 gelang es einem Franzosen namens
Pierre Poivre, einige Samen und Setzlinge unbemerkt von den holländischen Wachen heraus zu schmuggeln. Er pflanzte diese erfolgreich auf der
Insel Mauritus. Das Monopol war gebrochen.
Text und Fotos: Collin Key
Über den Autor: Collin Key ist ein deutscher Fotograf aus der Nähe von Hamburg. Nach einer Ausbildung zum Journalisten machte er sich mit 24 auf seine erste Weltreise. Danach studierte er Indologie – er hatte sich in dieses Land „verliebt“. Schwerpunkt: Indische philosophische Theorien zur Logik. Seit seinem ersten Besuch im Jahr 2015 ist Indonesien seine neue Liebe. Collin Key ist ein Künstlername. Einige seiner Abenteuer veröffentlicht er auf seinem
Blog. Collins Foto kannst du dir auf seiner
Homepage oder auf
Flickr anschauen.
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