SOMMERFERIEN: DIE WAHRHEIT üBER FAMILIENURLAUBE

Für die meisten Eltern ist die Sommerferienzeit vorbei. Beim Start in den Alltag mischt sich unter die Wehmut auch etwas Erleichterung. Zeit für ein paar Wahrheiten über Familienurlaube.

Vor ein paar Wochen waren wir im Familienurlaub in Südtirol. Am letzten Tag wollten wir noch einen Höhepunkt schaffen, im wahrsten Sinne des Wortes: Den ersten selbst erlaufenen Gipfel der Kinder, die ihn sich als Ziel gesetzt hatten und hoch motiviert waren. Schwitzend erreichten wir das Gipfelkreuz, die beiden Großen voraus, das Baby in der Wander-Kraxe dabei. Ich erwartete, dass wir unseren Triumph mit grandiosem Ausblick und einer Tafel Schokolade feiern würden.

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Doch es kam anders. »Wieso darfst du als Erstes in das Gipfelbuch schreiben?«, »Du hast mein Steinmännchen umgestoßen!« Das Baby gab lautstark zu verstehen, dass es nun aus der Kraxe gehoben werden wollte, krabbelte erst direkt auf den steilen Hang zu, stieß dann die Wasserflasche um und schmiss schließlich die geschmolzene Tafel Schokolade auf den staubigen Bogen. Der Blick vom Gipfel? Ich habe kurz geguckt, ja, war schön, glaube ich, aber alles andere als meditativ.

Wenn ich die idyllischen Urlaubsfotos anderer sehe, halte ich es für angebracht, etwas ehrlicher über das Reisen als Familie zu sein, vor allem mit jüngeren Kindern. Hier ein paar Wahrheiten über meine Familienurlaube:

  • Es ist schwer, alle Bedürfnisse von zwei Erwachsenen und drei Kindern im Baby- bis Schulkindalter unter einen Hut zu bekommen.

  • Wir vergessen ständig Dinge zu Hause, und der hektisch beantragte vorläufige Kinderreisepass wird bei uns langsam Tradition.

  • Babys hassen lange Autofahrten.

  • Es gleicht einem Vollzeit-Job, rund vier Mahlzeiten am Tag für fünf Leute bereitzustellen.

  • Und wer wäscht eigentlich die Wäscheberge, die im Urlaub anfallen?

Man ist im Urlaub genau so in der Elternrolle wie zu Hause, nur in schönerer Kulisse. Trotzdem oder gerade deshalb hat das Reisen mit Kindern einen besonderen Wert. Mich hat schon an vielen Orten der Welt dieser Gedanke gerettet: Neben einem Gipfelkreuz wickelt es sich besser als auf dem Supermarktparkplatz. Einen Wutanfall kann man an der Atlantikküste hübscher begleiten als an der IKEA-Kasse. Und wenn ich schon mit einem zahnenden Baby in der Trage nachts durch die Straßen laufe, dann lieber durch Bangkok als durch Hamburg-Altona.

Die wahre Schönheit versteckte sich in unserem Sommerurlaub nicht in den geplanten Highlights oder Unternehmungen, sie steckte in den kleinen Momenten dazwischen. Als beim Wandern der Weg sehr anstrengend war, begannen wir, uns eine gemeinsame Geschichte auszudenken. Mit jeder Wegkurve wuchs sie heran zu einem Epos über sprechende Waldtiere mit glitzerndem Fell, die in ihrem Baumhaus von Geiern angegriffen werden und sich mit Ninja-Fähigkeiten verteidigen. Eine perfekte Mischung unserer aller Fantasie und vergangener Lesegewohnheiten (vermutlich erkennen Sie die Referenzen).

Oder als wir Eltern entdeckten, dass es im italienischen Seebad Affogato und Aperol Spritz in Pappbechern gab – und es als persönliche Belohnung dafür ansahen, anderthalb Stunden am Ende der Rutsche verbracht und drei zappelige Kinder mit Sonnencreme eingeschmiert zu haben.

Ich habe gelernt, die Erwartungen an Urlaube herunterzuschrauben und über Dinge zu staunen, die ich ohne Kinder nicht gesehen hätte. Wir waren nicht im berühmtesten Museum der Stadt, aber wir haben eine halbe Stunde einen Ameisenhaufen beobachtet. Wir waren nicht schick essen, dafür haben wir alle Spezialitäten der Süßwarenregale italienischer Supermärkte durchprobiert. Ich lag auf keiner Pool-Liege, dafür lagen mehrere Kinder kichernd gleichzeitig auf mir.

Bei der Rückfahrt mischte sich unter die Wehmut, dass die Sommerferien nun vorbei sind, auch ein bisschen Vorfreude auf den Alltag. Bis ich realisierte, dass es nun wieder an der Zeit ist, die nächsten Ferien zu planen.

Haben Sie Tipps? Was macht Ihren Urlaub mit kleinen Kindern leichter? Oder bin ich etwa doch nicht die einzige, deren Familienreisen unperfekt sind? Schreiben Sie an [email protected].

Meine Lesetipps

Die meisten Leser und Leserinnen mit Kindern sind bereits aus dem Urlaub zurück oder kommen in diesen Tagen wieder. Der Übergang in den Alltag mit Kita, Schule und Arbeit kann abrupt sein. Deswegen bemühe ich mich, es in den ersten Wochen ruhig angehen zu lassen. Meine Kinder lieben es, Hörspiele oder Kinder-Podcasts zu hören, während sie zeichnen, basteln oder spielen und dabei nach einen anstrengenden Tag zu entspannen. Zu Hause hören wir gern »Wer? Wie? BUZZ!«, den Wissenspodcast von »Dein SPIEGEL«.

In den Folgen entscheiden Kinder, worüber gesprochen wird. Nun ist das Staffelfinale online, diesmal geht es unter anderem darum, warum man auf dem Mond niesen muss, wie Ernest Shackleton aus der Antarktis floh und warum es Sprichwörter gibt. »Wer? Wie? BUZZ!«, kann man auf den gängigen Plattformen oder hier hören.

Bei uns steht der Beginn der Vorschulzeit bei einem Kind an, das, so der Wunsch der Einrichtung, eine kleine Schultüte zur Vorschulfeier mitbringen möge. Ich liebe es, zu werkeln und zu basteln. Die vergangenen Wochen waren jedoch so sehr geprägt vom Ankommen in Alltag, dass ich es zwischen Arbeit und Familie einfach nicht geschafft habe. Deswegen liegt hier eine gekaufte Tüte, immerhin selbst mit Stickern beklebt. Ein schlechtes Gewissen habe ich deswegen nicht.

Muss ich auch nicht, findet meine Kollegin Nathalie Klüver. Sie hat einen Text gegen den Eltern-Überbietungswettbewerb bei Einschulungen geschrieben, dort heißt es: »Ich möchte allen geplagten Eltern, die so wie ich, weder Zeit noch Geld, Nerven oder Talent für das Nähen einer Schultüte haben, zurufen: Es ist kein Indikator für irgendwelche Elternqualitäten und schon gar nicht für Elternliebe, wie kreativ, außerordentlich, individuell oder sonst was die Schultüte ist!«

Falls Sie auch eine Einschulung vor oder gerade hinter sich haben, empfehle ich Ihnen diese Folge des »Smarter Leben«-Podcasts: Grundschullehrerin und Autorin Saskia Niechzial spricht mit Lenne Kaffka über die Veränderungen, die zum Beginn dieser neuen Phase gehören. Sie gibt Tipps, was man tun kann, wenn der Schulstart nicht reibungslos verläuft, und wie man Kinder dabei begleiten kann.

Das jüngste Gericht

Aus dem Archiv der Kochkolumnistin Verena Lugert lege ich Ihnen dieses Rezept ans Herz, das wir beim Wanderurlaub selbstverständlich auf mehreren Almhütten gegessen haben und wirklich allen schmeckt. Es eignet sich wunderbar für den beginnenden Herbst. Übrig geblieben ist bei uns nie auch nur ein Krümelchen: So gelingt der perfekte Kaiserschmarrn.

Mein Moment

Wir freuen uns über jede Ihrer Nachrichten, besonders berührend finde ich es, wenn uns Eltern schreiben, deren Kinder bereits erwachsen sind – manchmal mit Erinnerungen oder Ratschlägen und Erfahrungen, die sie im Lauf der Zeit gesammelt haben. Nachdem meine Kollegin Sandra Schulz in ihrem Newsletter von den Umarmungen ihrer Tochter berichtet hatte, erreichte uns eine Mail von Andreas S., der ein mittlerweile erwachsenes Kind hat. Er erzählt vom Loslassen und Vertrauen:

»Unser Sohn, Matthias, hat Downsyndrom und ist 25 Jahre alt. Matthias hat die – ich nenne es mal – Gabe, Leute in einem Raum unmittelbar einschätzen zu können und auf den, der seines Erachtens die meiste Freundlichkeit braucht, zuzugehen. Da gibt es dann auch Umarmungen. In all den Jahren ist Matthias erwachsen geworden und denkt über bestimmte Dinge sehr verantwortungsvoll nach. Es fügt sich langsam, nicht überall, aber doch vieles sehr gut zusammen. Matthias möchte nun ausziehen, nicht in eine betreute Gruppe, sondern allein (mit ein wenig externer Hilfe) an einen Wohnort, von dem aus man leicht mit Bus / Bahn den Arbeitsplatz und andere Ziele (Kino, Kaffee, Kiosk, …) erreichen kann. Das wird spannend. Beobachte, dann vertraue, Herz und Kopf!«

Psst, Geheimsache!

Zum Schluss darf ich noch eine Bitte der lieben Kollegin Marianne Wellershoff weiterleiten:

Benutzt Ihr Kind auch das Wort »Geheimversteck«? Eigentlich versteht es sich ja von selbst, dass Verstecke geheim sind, aber die Botschaft »geheim« gibt dem Versteck noch einen Extrazauber. Das Konzept »geheim« können Kinder erst entwickeln, wenn sie verstehen, dass in den Köpfen anderer Menschen etwas anderes vor sich geht als in ihren eigenen.

Aber wie sie mit Geheimnissen umgehen, ist nicht nur eine Altersfrage, sondern auch eine sehr individuelle. Die Tochter einer Kollegin hat gern an Wände gekritzelt, als sie klein war. Was sie natürlich nicht durfte. Um diesen Fehltritt zu verheimlichen, stellte sie sich vor die Zeichnung, als ihre Mutter ins Zimmer kam.

Haben Ihre Kinder Geheimnisse? Welche sind das? Und wie bewahren sie diese – oder eben nicht? Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Erlebnisse zu Geheimnissen Ihrer Kinder schicken und dazu schreiben, wie alt die Kinder damals waren. Bitte einfach per Mail an [email protected] mit dem Betreff »Geheimnisse«. Die schönsten, lustigsten, überraschendsten möchten wir dann veröffentlichen.

Und jetzt wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende!

Herzlichst

Ihre Antonia Bauer

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