Malediven, Bahamas, Fiji und Namibia - sie zählen zu den kleinen Staaten des Globus und leiden besonders unter der Pandemie, steigenden Zinsen und teuren Rohstoffen.
Als das Corona-Virus 2020 das Reisen gefährlich bis unmöglich machte, litten in Europa und Nordamerika die Menschen unter ihrem erzwungenen Urlaubsverzicht. Für die Bahamas bedeutete es ein Schrumpfen ihrer Wirtschaftsleistung um fast ein Viertel. Im selben Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Guyanas um knapp 44 Prozent, weil der US-Konzern Exxon vor der Küste des südamerikanischen Landes auf Öl gestoßen war.
Staaten mit kleinen Ökonomien, warnt die Weltbank, stehen vor besonderen Herausforderungen. Die wenigsten von ihnen haben das Glück Guyanas. Die meisten leiden noch heute unter der Pandemie, unter Importabhängigkeit und Naturkatastrophen, unter Schulden und steigenden Zinsen. Die kleinen Ökonomien tanzen wie Gummienten auf den großen Konjunkturwellen, die aus dem globalen Norden heranrollen.
In die Gruppe der „kleinen Staaten“ rechnet die Weltbank rund drei Dutzend Länder mit einer Bevölkerung von jeweils 1,5 Millionen Menschen oder weniger – teils beinhaltet die Definition auch weitere kleine Ökonomien mit etwas mehr Einwohner:innen, wie etwa Gambia. Die Gruppe verteilt sich über den ganzen Globus, rund zwei Drittel sind Inselstaaten wie Tuvalu, das bloß 11.000 Menschen zählt. Nauru erstreckt sich über nur 20 Quadratkilometer, wesentlich größer sind Namibia oder Botswana.
Nicht alle kleinen Staaten sind arm – laut Weltbank galt im vergangenen Jahr ein Viertel von ihnen als Hocheinkommens-Länder. Die Unterschiede sind zwar enorm – Timor-Leste hat ein BIP pro Kopf von 1100 Dollar, Brunei-Darussalam kommt auf fast das 30-Fache. Dennoch teilen die kleinen Ökonomien Eigenheiten, die sie vom Rest der Welt unterscheiden und die dafür sorgen, dass die Wirtschaft vieler dieser Länder stets kurz vor dem Abgrund steht. Das wurde in der Coronakrise deutlich.
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Auf Grund ihrer geringen Größe sind die „Kleinen“ des Weltmarkts stark auf Importe angewiesen, ihre Wirtschaft ist hochkonzentriert, häufig auf nur eine Branche, meist auf den Tourismus. Diversifizierung der Wirtschaft ist in diesem kleinen Maßstab kaum möglich. Im Coronajahr 2020 sank das BIP dieser Staatengruppe daher um über elf Prozent. Zur Erinnerung: Die Bundesrepublik erlebte mit minus 4,8 Prozent den stärksten Einbruch ihrer Geschichte. Die Malediven dagegen kostete Corona 2020 ein Drittel ihres BIP, die Bahamas und St. Lucia kamen auf ein Viertel. Um 15 Prozent und mehr ging es abwärts in Cabo Verde, Dominica, Fiji und Montenegro. Zwar wuchs die Wirtschaft der „Kleinen“ in den vergangenen beiden Jahren wieder um viereinhalb bis fünf Prozent. Dennoch, so warnt die Weltbank in einer neuen Untersuchung, bleiben sie extrem schockanfällig.
Denn einige der Länder liegen weit entfernt von ihren Handelspartnern, Unterbrechungen der Lieferketten stellen ein großes Risiko dar. Die importabhängigen „kleinen Staaten“ erlitten daher 2020 eine Schrumpfung ihres BIP um 15 Prozent. Dies lag auch an steigenden Preisen: Im September 2022 erreichte die Inflation in diesen Staaten 7,5 Prozent. Das klingt im Vergleich zu Europa zunächst nach nicht viel. Zu bedenken ist jedoch, dass die inländische Nachfrage in den „kleinen Staaten“ extrem schwach war.
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Die erzwungene Offenheit der Ökonomien führt zudem in vielen dieser Länder zu einem permanenten Verlust an Bevölkerung – jährlich wandert etwa ein Prozent der Menschen ab. Und viele der kleinen Länder sind den Naturgewalten ausgesetzt. Etwa ein Drittel von ihnen klassifiziert die Weltbank als „stark verletzlich“ gegenüber dem Klimawandel, inklusive steigenden Meerespegeln und Dürren. Als Bedrohung hinzu kommen derzeit auch mögliche neue Varianten des Coronavirus und eine weitere Verteuerung von Rohstoffen sowie steigende Zinsen. Letztere treffen die „Kleinen“ härter als andere Länder. Denn aufgrund der geringen Größe ihrer Ökonomien ist der Staatssektor dort meist groß – gemessen am BIP sind die Staatsausgaben im Schnitt acht Prozentpunkte höher als in anderen Entwicklungsländern. Defizite der Regierungen sind üblich, dazu kommen Defizite im Geschäftsverkehr mit dem Ausland in Höhe von im Schnitt 5,4 Prozent des BIP.
All das wird laut Weltbank finanziert durch eine Mischung aus Auslandshilfe und ausländischen Direktinvestitionen. Aufgrund der hohen Schuldenquoten stellen die steigenden Zinsen eine große Bedrohung dar. Sie machen Auslandskapital teurer. Zudem müssen die „kleinen Staaten“ die Zinserhöhungen in Nordamerika und Europa bei sich nachvollziehen und selbst die Zinsen stark erhöhen, um Kapital ins Land zu ziehen und so eine Abwertung ihrer Währung zu verhindern. Die meisten der „Kleinen“ haben ihre Währungen an den US-Dollar gekoppelt, um ausländischen Investoren eine Sicherheit zu bieten. Das inländische Zinsniveau können sie daher nicht unabhängig festlegen, sondern müssen der US-Zentralbank folgen.
Die Weltbank mahnt die Regierungen der „kleinen Staaten“ daher nun dringend, in Vorbereitung der nächsten Krise ihre Infrastruktur zu verbessern, den Katastrophenschutz zu stärken und gleichzeitig Ausgaben zu streichen, um Finanzreserven zu schaffen.
Da dies absehbar nicht ausreichen wird, appelliert die Weltbank an die wohlhabenden Staaten. „Nötig ist eine intensivere internationale Kooperation zur Unterstützung der kleinen Staaten“, schreibt das Institut. Insbesondere müsse der Fluss von Finanzhilfen aufrechterhalten werden, um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten und die Anpassung der „Kleinen“ an den Klimawandel bezahlbar zu machen. (Stephan Kaufmann)
Die Malediven locken mit endlosen Stränden und kristallklarem Wasser, doch abseits des Traumurlaubs gibt es ein großes Problem.
2023-01-27T17:31:42Z dg43tfdfdgfd